Feuertod
Es war im Sommer 2004. Die ganze Woche brutzelte schon der Asphalt. Hochsommer im Land. Ich hatte Spätschicht mit meiner damaligen Chefin.
14:00 Uhr war Dienstübergabe. Die Chefin erzählte von ihren gestorbenen Arras. Die Frühschicht lachte darüber. Ich nicht. Ich wusste das die Arras ihre `Kinder` waren.
So knapp nach der Dienstübergabe heulten die Sirenen der Dorffeuerwehren. Eine nach der andere.
Wenige Minuten später klingelte das Telefon. Ein brennendes Auto auf der Bundesstrasse. Menschen sollten in Gefahr sein.
Ich quälte unseren alten Golf 3 mit Vollgas zur Unfallstelle. Aus dem Ort herausgefahren, hing über der Bundesstr eine schwarze Rauchwolke.
Ein Kleintransporter brannte schon lichterloh.
Vor Ort wurde von einen Helfer sofort der Feuerlöscher verlangt. Ich verfluchte die minuten auf der Suche im überfüllten Kofferraum des Einsatzfahrzeuges. Noch war keine Feuerwehr vor Ort. Wir waren der erste Funkwagen. Ich hastete mit dem Feuerlöscher zum Brandherd. Mehr als 1 Meter kam ich nicht mehr ran.
Die Flammen schlugen meterhoch. 4 Menschen waren noch eingeklemmt. Hoffnungslos. Ich leerte dem Feuerlöscher-ne geste, mehr nicht. Keine Chance heranzukommen. Die Hitze brannte in mein Gesicht. Ein letzter Schrei kam aus den Flammen.
Hilflos sank ich in die Knie.Ich konnte nichts mehr tun. Ich war in Schockzustand. Klickende Fotoapparate brachten mich wieder zu Besinnung. Wütend jagte ich diese Idioten von den brennenden Auto weg.
Über die flammen kreiste ein Rettungshubschrauber. Ich bestellte dem Hubschrauber mit bebender Stimme ab. Keine Landung notwenig. Die Hilfe kam zu spät. Noch war ich allein und hatte die führung. Die nächsten Funkwagen trafen ein. Sie kümmerten sich um Sperrungen und um die anwesenden angehörigen.
Im strassengraben jammerde ein Grossvater um seine 2 Enkel und um 2 erwachsene Menschen. Es waren Franzosen auf dem Weg zu ihrer Partnerstadt.
Endlich trafen die ersten Feuerwehrautos ein.
Das Feuer war dann schnell gelöscht. Entdlich traf ein Einsatzleiter des Polizeirevieres ein und übernahm die weitere Einsatzleitung.
Weitere Angehörige der Toten trafen ein. Auch um diese mussten sich die Kollegen kümmern. Ich nicht mehr.
Ich ging zu meinen Kameraden die am Strassenrand standen. Meine langjährige Partnerin war darunter. Sie weinte hemmungslos. Ich hockte mich neben ihr und sah sie schweigend an. Weinen konnte ich nicht.
Die vor Ort anwesenden Rettungssanitäter mussten sich um einen „ Gaffer“ kümmern der einen Herzanfall erlitten hatte. Die Aufregungen und die Hitze. Der Mann wurde mit dem Rettungshubschrauber gerettet.
Die Gaffer mussten jetzt zurückgedrängt werden da sie die Bergung der Toten behinderten. Ich hätte das nicht mehr tun müssen. Hab mich selber in die Polizeikette eingeklinkt. Ein Angebot des Revierleiters meinen Dienst zu beenden lehnte ich dankend ab.
Der Polizeipfarrer traf ein. Wir wechselnden belanglose worte. Ich wollte noch nicht darüber reden.
Die Bergung selber habe ich ausgelassen. Wollte ganz bewusst die Leichen nicht sehen.
Bei Einbruch der Dunkelheit war die Unfallstelle beräumt. Jetzt musste der Unfallbericht geschrieben werden.
Wer sollte das schreiben? Klar, der erste Funkstreifenwagen vor Ort. Also wir. Meldungen zum französischen Konsulat mussten auf dem Weg gebracht werden.
Der Morgen graute schon als wir zu unserer Dienststelle zurückfuhren. Der Polizeipfarrer hatte solange auf uns gewartet und mit uns ein gespräch geführt. Über das was wir gesehen, gehört haben. Das das Leben für uns weitergeht trotz des erlebten grauens.
Auf der Rückfahrt kamen wir noch mal an der Unfallstelle vorbei. Ein dunkler Fleck war zu sehen. An der Seite ein Funkwagen mit Blaulicht. Als Warnung vor der tückischen Kurve auf einen kleinen Fahrbahnbuckel.
Der Morgen war schon erwacht als ich zu hause war. Was sollte ich sagen? Wie das erklären. Ich bin den 4-Fachen Feuertod begegnet. Ich hab nichts erzählt. Nur: Du weißt doch- die Unfälle, Bergung und und und…,
Am nächsten Morgen eine kleine Radiomeldung. Und der Familienvater der mit seiner Familie auf der Autobahn fährt fragt: Wie konnte das passieren?
Die Unfallstelle wurde danach sofort begradigt. Den Buckel gibt es nicht mehr. Die Kurve wurde gestreckt. Die Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/H heruntergesetzt. Es wird regelmässig an der Stelle geblitzt. Für die Autofahrer „Abzocke“.